Advent, Advent ein Lichtlein brennt

oder wie ich mich durch die wohl glitzernste Zeit des Jahres schmuggle

Ankommen – ein Wort das gerne im Yoga verwendet wird. Wir kommen auf der Matte an, am Anfang einer Stunde , im Augenblick, bei uns selber, in unserem Körper – immer wieder geht es ums Ankommen. Die Adventszeit muss daher ja die beste Yogazeit ever sein, nicht? Das Wort stammt nämlich vom lateinischen „advenire“ ab, was übersetzt soviel heisst wie – rate mal – ANKOMMEN!

Na dann, herzlich willkommen im Advent – die glitzernsten, versuchungsvollsten, manchmal auch stressigsten Wochen im Jahr. Gefühlt eine Million Sachen gibt es vor Weihnachten und Neujahr zu erledigen. Den Samichlaus reservieren, Guetsli und Grittibänzen backen, Lichterketten aufhängen, dekorieren, basteln, Flötenkonzerte und Weihnachtsaufführungen besuchen, Festmenüs vorbereiten, Geschenke kaufen, Glühwein trinken, Weihnachtsessen und Weihnachtsmärkte besuchen, den Gschängglisunntig nicht vergessen, Apéro trinken, und bitte dabei stets freundlich lächeln. Spendenbriefe trudeln haufenweise im Briefkasten ein und erinnern mich daran, dass ich mich dieses Jahr noch viel zu wenig engagiert habe, dass ich noch viel zu wenig „Gutmensch“ war und schwupps, schon plagt mich das schlechte Gewissen – uff eine schier endlose Liste an Dingen, die ich machen sollte. Dinge die ich machen möchte – eine Liste, die ich mir selber aufbürge, obwohl ich weiss, dass sie mich oftmals wahnsinnig stresst und kaum zu bewältigen ist. Daneben warten all die süssen Versuchungen, das leckere Essen…

Fragst Du dich auch ab und zu, warum Du dir so viel vornimmst? Warum Du alles perfekt machen möchtest? Warum Du eine gewisse Vorstellung in Deinem Kopf hast, die nur mit viel Aufwand zu bewerkstelligen ist? Sind wir mal ehrlich, vieles machen wir doch einfach, um anderen zu gefallen, um nicht aus der Reihe zu tanzen. Weil man das halt so handhabt, oder? Guetsli backen zum Beispiel, die Sauerei die das gibt mit drei Kindern. Warum tue ich mir das an? Für die Kinder? Für mich? Weil meine Mama früher mit uns gebacken hat und das einfach zu Weihnachten dazu gehört? Wie komme ich aus diesem Schema raus, etwas machen zu wollen das ich eigentlich gar nicht mag? Wie schaffe ich es, mich nicht stressen zu lassen?

Yoga und auch Ayurveda lehren mich immer wieder, mich zu hinterfragen. Warum mache ich etwas? Tut mir das gut? Muss das jetzt wirklich sein? Warum verbiege ich mich für eine Vorstellung in meinem Kopf? Bei den Guetsli zum Beispiel kann ich klar sagen – nein! Es tut mir nicht gut, es endet in Diskussionen, in Chaos – die Idylle, die wir von Filmen und Zeitschriften kennen, existiert bei mir nicht. Ich habe keine Geduld, den Teig gefühlte 100 Mal auszuwallen nur dass die Kinder kreuz und quer Ihre Förmchen platzieren können. Meist suchen sie sich ja auch die grössten, oder die, an denen der Teig kleben bleibt, die mit den spitzigen Ecken aus. Die, die ich schon lange besser aussortiert hätte.  Überall fliegt Mehl und Zucker durch den Raum und belegt alle Möbel mit einem feinen, weissen, Flaum. Mit den schmierigen Fingern fassen sie nachher alles an was sich ihnen in die Quere stellt – Horror.

Darum habe ich mich entschieden, keine „Spitzbuebä“ und „Mailänderli“ mehr zu backen. Ich schicke sie zu meiner Mama – und sie macht das gerne, ihr ist es egal wenns chaotisch wird, sie geniesst das Rumgewusel am mehligen Tisch. Warum sollte ich mich also quälen, etwas durchsetzen das in meiner Kindheit „normal“ war? Ich ändere also eine Tradition – einfach so, weil sie mir nicht gut tut! Weil sie mich stresst. Und ja, man darf Traditionen ändern, man darf sich von festgesetzten Mustern lösen. Manchmal muss man sogar, auch wenn es schwer fällt. Nur so können wir mit etwas mehr Gelassenheit durch unser Leben gehen.

Immer wieder muss ich mir eingestehen, dass weniger manchmal mehr ist. Nur wenn ich mir dessen bewusst bin, kann ich eine anstrengende Zeit, wie eben diese,  trotzdem geniessen. Ich schlemme, ich trinke ein Glas Wein oder ein Bier zu viel. Ich erfreue mich am festliche Essen mit meiner Familie (und das gerne auch an zwei oder 3 Weihnachtstagen). Ich lasse mich ein wenig gehen. Lasse mich etwas treiben. Und weisst Du, auch das hat seine Berechtigung. Wir können nicht 365 Tage im Jahr perfekt sein. Von Zeit zu Zeit kann man versuchen, alles einfach geschehen zu lassen. Nicht zu streng mit sich und seinen Liebsten sein.  Am Abend wenn Du in die Federn hüpfst, solltest Du nur eins  – glücklich und entspannt einschlafen. Sogar, oder eben weil, Du einen Dessert zuviel gegessen hast.

Wenn Du dann noch jeden Tag einen Augenblick Zeit für Dich findest, Zeit um zur Ruhe zu kommen und über die vergangen und kommenden 365 Tage zu reflektieren. Wenn Du dir Zeit nimmst ein gutes Buch zu lesen. Wenn Du Zeit hast um mit gutem Gewissen nichtstuend am Kamin zu sitzen und einen Tee zu schlürfen. Wenn Du dir Zeit nimmst um die vielen Glitzerlichter zu bestaunen, Zeit um anzukommen, bei Dir und im Moment – ja dann kann doch eigentlich gar nichts mehr schief gehen, oder?

Ich wünsche Dir einen wundervollen Jahresabschluss und einen schönen Start im neuen Jahr – ich für mich werde versuchen neugierig zu bleiben, neugierig auf das was kommt. So viele Überraschungen warten auf uns – 365 Tage – keiner wie der andere. Da wird sich das Ankommen doch bestimmt lohnen oder wie siehst Du das?
Alles liebe Nicole